Dr.  Manfred  Krill  Verlag FÜR PSYCHOANALYSE

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Zur Diskussion über die OPD2

Die OPD2 hat zweifellos viel Klarheit erreicht.

Sie muss aber Wort für Wort genau gelesen, verstanden und auf das, was wir vom Patienten erfahren haben (natürlich einschließlich der wechselseitigen Übertragungen und Gegenübertragungen) mit nicht weniger Mühe angewandt werden.

Auf einem anderen Blatt steht, dass zu dieser Anstrengung nicht alle Analytiker bereit sind. Die OPD2 wird stattdessen fälschlich im klinischen Alltag als Ersatz für Diagnose und Psychodynamik verwandt. Wie aus einem Steinbruch werden willkürlich Versatzstücke, als bloße Worthülsen, entnommen. Namentlich werden nach meinem Eindruck gern sogleich schwerste strukturelle Störungen gem. S 117 ff behauptet, wenn ein Patient über Angstzustände klagt. Eine Verbindung mit Biographie und Symptomatik oder anderen Befunden wird gar nicht mehr gesucht (Beleglosigkeit).

Es scheint – wohl wegen der zahlreichen, genau abgehandelten Einzelgesichtpunkte in ihrer verwirrenden Vielfalt und in ihren Überschneidungen - in der praktischen Anwendung oft auch der klinische Blick für die Gesamterscheinung einer psychischen Störung verlorengegangen zu sein.

Namentlich narzisstische Störungen werden oft nicht mehr erkannt. An Vergeltungsangst für eigene aggressive Regungen der Patienten wird nicht mehr gedacht. Überhaupt werden originäre aggressive Wünsche gar nicht mehr in Betracht gezogen. Da, wo sie noch erwähnt werden, sind sie deutlich unterrepräsentiert.

Es hat sich dort an Stelle der OPD2 eine Jargonsprache eingebürgert, die mittlerweile, insbesondere von Ungeübten, unreflektiert übernommen und weitergetragen wird.

Dies alles ist aber wohl weniger (s.u.)der OPD2 anzulasten, sondern mehr der Bequemlichkeit und Zeitnot, gleich, ob bei Niedergelassenen oder in Kliniken Tätigen.

Übrigens ist auch dies kein neues Phänomen. Auch vor Erfindung der OPD 2 hat man z.B. nur selten, auch nicht in Publikationen bedeutender Analytiker, Genaueres oder einigermaßen Vollständiges über einen „inneren Konflikt" lesen können. Meist wurde dieser recht pauschal abgehandelt, oder es wurden einseitige Betonungen vorgenommen; so schrieb der eine nur über Ängste, Andere nur über Schuld- und Schamgefühle als Motiv, Andere nur über die Abwehr als wesentlichen Faktor unter dem Konfliktkomponenten.

Ein zunächst unscheinbarer Punkt ist die anscheinend geflissentliche Übernahme falscher Anglizismen in die OPD2, nicht selten offenbar nach Wortklang. So sind falsch übersetzt: panic mit Panik (statt Angst, - Panik ist im Deutschen etwas ganz anderes), to control mit kontrollieren (mit einem Schräubchen zwischen den Fingern? Wie ein Schleusenwärter? Wie ein Kontrolleur?) statt mit „beherrschen", regulation mit Regulierung (statt im Deutschen „steuern" (auf S. 117 OPD2 immerhin einmal „Selbststeuerung" genannt). „Ressource" wird anders als im Angloamerikanischen im Deutschen als „Quelle", „Vorrat" (Erdöl? Kupfer?) verstanden. Wäre hier nicht das Wort „Fähigkeiten" besser?

Auch das englische „setting" kehrt immer wieder, oder dass ein zusätzlicher Aussagwert zu erkennen wäre. So heißt es notorisch.„setting der Psychotherapie ... der Gruppentherapie". Worin soll der Unterschied zur Psychotherapie oder Gruppentherapie liegen? Hier wird nur übermäßige, wahrscheinlich unreflektierte Gehorsamkeit gegenüber englischen Sprachgewohnheiten un dein Nichtmehrmitdenken, ein Nichtmehrmitfühlen offenbar. .Stattdessen herrscht eine ungute Routine in der verwendeten Sprache, aber Routine, nicht einfacher Irrtum, ist der Todfeind der Psychoanalyse. Es gibt kaum noch Berichte, in denen das Wort setting nicht verwandt wird.

„Selbstwert" klingt unnötig kalt.- geschäftsmäßig, schein- objektiv, fast wie eine Währung. Besser wäre Selbstwertgefühl. Die OPD2 selbst verwendet dieses Wort ebenfalls auf Seite 232.

Einteilungen in „passiv" und „aktiv" erscheinen willkürlich und formalistisch bedingt, denn alle Vorgänge sind aktive Vorgänge, bereits neurophysiologisch gesehen..

Die Notwendigkeit, zu einer sachlichen Sprache zu finden, hat hier dazu geführt, dass die verwandte Sprache selbst nicht mehr das wiedergibt, was eigentlich gemeint ist. Konzepte dürfen nicht einfach auf die Sprache durchgepaust werden und diese entstellen. Es besteht die Gefahr von „Neusprech" und deren doktrinärem Anspruch.

Eine Hoffnung, durch Anglizismen besseren Anschluss an den angelsächsischen Sprachraum zu finden, trügt. Dieser hat keinerlei Interesse an deutschsprachlichen Feinheiten, also an dem, wie es in der OPD2 fühlbar gemeint ist, und diese gehen nur verloren. Die angloamerikanische Sprache überrollt einfach alles. Die dadurch entstehenden gründlichen Missverständnisse werden nicht einmal bemerkt werden.

Unerkannt bleiben in der OPD2 anscheinend die ungünstigen Rückwirkungen der falschen Anglizismen und mancher übrigen – kalten- Sprache, - auf die Therapie, auf die Patienten, auf die Therapeuten. Das Wort Panik ist an sich bereits geeignet, im Patienten Selbstdramatisierung und zusätzliche Angst zu erzeugen In den Behandlungsleitlinien hat sich die Pharmaindustrie flink die Dramatisierung zunutze gemacht. Mit den Wörtern „Regulierung" und „Kontrolle" meint jeder Teilnehmer unwillkürlich, etwas im Griff zu haben, - was keineswegs der Fall ist oder jedenfalls nicht mit dem Anspruch, der hier vermittelt wird. Es werden so in allen Beteiligten falsche Hoffnungen und falsche, nur begrenzt erfüllbare Ansprüche an sich und die Therapeuten geweckt, und so der Grund für Isolierung vom Affekt, Idealisierungen und Enttäuschungen gelegt.

Mindestens aber kann der Therapeut so nicht mehr fühlen, was er schreibt und womöglich auch in der Therapie sagt, und dies allein ist bereits jeder Therapie abträglich (hierzu G. Maass in DPV-Informationen Nr.63 2016. Nr,64 2017, S. 61 -63::„inhaltsarm.. oberflächlich"). Intellektualisierungen und Ablenkungen von der Sache selbst, ohnehin eine ständige Gefahr in Psychoanalysen, wird so ungewollt Vorschub geleistet.

Früher hat man gesagt: „Es fehlt der Saft", in diesen Anglizismen und in solcher künstlicher Sprache.

Zu hoffen ist, dass sich das OPD2-Gremium an den oben monierten Jargon noch nicht zu sehr gewöhnt hat und das Abträgliche daran noch fühlt.."

13.4.18